Der kubanische Botschafter verlässt Deutschland Von Melina Deymann, Günter Pohl
Ramón Ripoll, Botschafter der Republik Kuba in Berlin, verlässt turnusgemäß Deutschland, um sich in Kuba anderen Aufgaben zuzuwenden. UZ sprach zum Abschied mit ihm über die aktuelle Situation, die Solidaritätsbewegung und deutsche Kommunisten.
UZ: Lieber Genosse und Botschafter Ramón Ripoll, bald endet deine Zeit in Deutschland. Auch deine Frau, Genossin Milagros Franco, Koordinatorin für den wissenschaftlichen Austausch, kehrt nach Kuba zurück. Was werdet ihr nach einem guten kubanischen Reis und einer Nacht im eigenen Bett tun?
Ramón Ripoll: Ja, am 15. Januar kehren wir nach mehr als vier Jahren Arbeit in der BRD nach Kuba zurück. Zuerst werden wir unsere Familienangehörigen sehen und umarmen, die wir wegen der Pandemie lange nicht gesehen haben. Danach genießen wir Ferien, die wir doch nötig haben, denn wir sind hier kontinuierlich seit Anfang August 2019, also seit zweieinhalb Jahren.
Angesichts dieser langen Zeit in Deutschland werden wir während des Urlaubs offizielle und persönliche Arbeiten machen, die nötig sind, um unser Leben in Havanna zu organisieren. Und natürlich werden wir unser Essen genießen, wo der Reis bekanntlich immer Beilage zu einem Hauptgericht ist! Nach dieser Anfangsphase und mit geladener Batterie werden wir die neuen beruflichen und politischen Aufgaben angehen, die man uns gibt.
UZ: Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung weiter die UN-Resolution gegen die Blockade Kubas unterstützt; dennoch sind ja deren extraterritoriale Auswirkungen in der EU und Deutschland merklich. Wie erklärst du dir diesen Widerspruch?
Ramón Ripoll: Leider merkt man diesen Widerspruch täglich, denn die vom US-Imperialismus aufgezwungenen Maßnahmen (die es auch gegen andere Staaten gibt) haben als Hauptziel, den Unternehmern anderer Länder Furcht einzuflößen, wenn sie Geschäfte mit Kuba machen wollen.
Die EU besitzt Instrumente, gegen Unternehmen aus der EU gerichtete Sanktionen der US-Behörden zu begegnen; aber das ist in der Praxis kaum anwendbar, denn einerseits sind die Fälle von Firmen, die einseitig und außergebietlich verhängte Strafen anerkannt und bezahlt haben, ohne die Schutzmechanismen der EU anzurufen, mehr als bekannt. Andererseits ist es unmöglich herauszubekommen, wie viele täglich davon absehen, Geschäfte mit Kuba zu beginnen, weil sie irgendeine Komplikation fürchten und dass das einen Widerhall bei ihren Geschäftskontakten mit der Wirtschaft der Vereinigten Staaten haben könnte.
Dieser notorische Widerspruch, wie ihr ihn nennt, ließe sich so zusammenfassen, dass man aus politischer Sicht gegen die Blockade in der UN-Vollversammlung stimmt, was positiv ist. Aber dennoch ergibt es nur einen begrenzten praktischen Effekt für die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, denn die außergebietlichen Blockadewirkungen spüren wir täglich auf europäischer Ebene. Trotzdem erkennen wir an, dass viele europäische Firmen trotz dieser Hindernisse ständig mit ihren kubanischen Partnern arbeiten.
Das spitzte sich nach dem 11. Januar 2020 noch zu, als die Trump-Regierung die letzte der 243 Maßnahmen zur Blockadeverschärfung in Kraft setzte. An jenem Tag wurde unser Land ohne irgendeine Grundlage auf die fingierte und unilaterale Liste von terrorunterstützenden Staaten gesetzt, die das State Department ohne jegliches Mandat aufstellt.
Das war die letzte Drehung Trumps und Pompeos an der Schraube, um Wirtschaft und Volk Kubas zu ersticken, noch dazu zu Pandemiezeiten, was eine brutale Verletzung der Menschenrechte von über elf Millionen Kubanerinnen und Kubanern bedeutet. Nach fast einem Jahr ist alles beim Alten, denn die Biden-Regierung hat keinerlei Anstrengung unternommen, diese Entscheidung zurückzunehmen, und sollte die EU tatsächlich etwas dagegen unternommen haben, so hat dies keine Wirkung gezeigt.
Die Tatsache, dass sich die USA das Recht nehmen, andere Staaten der Terrorismusförderung anzuklagen, ist ein weiterer Beweis von Doppelmoral, die man allzu oft international anwendet und die an jenen Dieb erinnert, der – ertappt – lauthals schreit: „Haltet den Dieb!“
UZ: Die Solidaritätsbewegung mit Kuba in Deutschland bietet eine gewisse politische Vielfalt, von humanitären Gruppen bis hin zur DKP. Wie war für dich der Austausch mit denen, die in diesem europäischen, kapitalistischen und imperialistischen Land solidarisch mit der Kubanischen Revolution sind?
Ramón Ripoll: Es war äußerst angenehm, in dieser Zeit mit den Mitgliedern der Kuba-Solidarität zusammenzuarbeiten. Einige kannte ich noch von vorherigen Arbeitseinsätzen in Deutschland, aber im Allgemeinen ist es bewundernswert, wie so viele Menschen unterschiedlicher politischer Meinungen und Konzeptionen in der Praxis der Solidarität mit Kuba übereinstimmen und einen wichtigen Beitrag leisten, an Veranstaltungen und Aktionen der Bewegung teilzunehmen.
Wir werden immer dankbar sein für dieses wichtige politische, solidarische Engagement vieler Personen aller Altersklassen, die dafür einen guten Teil ihrer Freizeit aufwenden. Wesentliche Beispiele dafür waren die Solidarität während der Pandemie und die Koordinierung und Umsetzung der „Unblock Cuba“-Kampagne.
Ich nutze die Gelegenheit zu erwähnen, dass im Juni einer der Fünf Helden, Genosse Fernando González Llort, der derzeit das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft leitet, nach Deutschland kommt und sodann die fruchtbare Arbeit der deutschen Solidaritätsbewegung anerkennen können wird.
UZ: In diesem Zusammenhang: Was ist dein Eindruck von den deutschen Kommunisten?
Ramón Ripoll: Die deutschen Kommunisten haben eine herausgehobene Rolle bei den Aktivitäten der Soli-Bewegung und sind immer da, wenn die Kubanische Revolution verteidigt wird. Trotz der schwierigen Bedingungen, unter denen ihr arbeiten müsst, findet ihr doch immer den notwendigen Raum, Solidarität mit unserem Volk, das mehr als sechzig Jahre jede Art von imperialistischer Aggression erfährt, zu zeigen und zu bewerben. Wichtig war die Art und Weise, mit der auch ihr daran Teil hattet, in jüngerer Zeit die Destabilisierungsversuche der kubanischen Innenpolitik zurückzuweisen.
UZ: Trotz der Schwierigkeiten der revolutionären Kräfte in Deutschland gibt es hierzulande Feste, Demos, Veranstaltungen, Gespräche und so weiter – ob groß oder klein. Welche sind dir in Erinnerung geblieben?
Ramón Ripoll: Meine Frau und ich werden uns an viele politische und andere Events dieser vier Jahre erinnern. Zwei könnte ich erwähnen: Den 5. Mai 2018 in Trier, zur Zweihundertjahrfeier von Karl Marx, als ich die Möglichkeit hatte, sein Geburtshaus zu besuchen und feststellen konnte, dass sich dort spiegelt, was der Triumph der Kubanischen Revolution am 1. Januar 1959 bedeutete.
Das andere ist das UZ-Pressefest 2018 in Dortmund, wo wir neben den Aktivitäten rund um die Casa Cuba mit revolutionärem Stolz sahen, dass man an fast allen deutschen und internationalen Ständen Informationen über unsere Revolution und den Kampf unseres Volkes um Unabhängigkeit, Souveränität und sozialistische Entwicklung bekommen konnte.
UZ: Wir wünschen dir und Milagros alles Gute in neuen Aufgaben auf Kuba oder international und bedanken uns für eine ausgezeichnete und herzliche Zusammenarbeit!