Vertreter aus Region warnen auf UN-Generalversammlung vor Auswirkungen von Sanktionen und fordern Diplomatie. Kuba verurteilt US-Blockade
Von Volker Hermsdorf
Zur Bewältigung der weltweiten Klima-, Energie- und Ernährungskrise setzt Lateinamerika auf Maßnahmen, die den Vorstellungen westlicher Staaten diametral entgegengesetzt sind. Während die USA und ihre Verbündeten in der UN-Generalversammlung in New York härtere Sanktionen gegen Russland und mehr Waffen für die Ukraine forderten, sprachen sich lateinamerikanische Repräsentanten für eine diplomatische Lösung des Konflikts aus. Wie andere Redner aus Ländern des globalen Südens beschuldigten die Lateinamerikaner Washington, durch Sanktionen auch die Probleme in ihrer Region zu verschärfen.
Kubas Außenminister Bruno Rodríguez bezeichnete am Mittwoch (Ortszeit) die seit über 60 Jahren aufrechterhaltene US-Blockade gegen sein Land als »Akt der wirtschaftlichen Kriegführung«, der vor allem der Bevölkerung schade. »Die US-Regierung verstärkt den Druck auf Regierungen, Bankinstitute und Unternehmen in aller Welt, die an Beziehungen zu Kuba interessiert sind, und verfolgt alle Quellen von Deviseneinnahmen im Land, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu provozieren«, kritisierte der Diplomat. Er verurteilte »die Manipulation der öffentlichen Meinung und der internationalen Gemeinschaft durch die USA«, die sensible Themen wie Menschenrechte und Religion nutzten, um einen Regime-Change zu provozieren.
Rodríguez warf Washington vor, neben Kuba auch andere Länder zu bedrohen. »Die internationalen Beziehungen entwickeln sich in eine sehr gefährliche Richtung. Die Offensive der USA zielt darauf ab, Staaten durch Drohungen und wirtschaftlichen, militärischen, politischen und diplomatischen Zwang zu unterwerfen, um eine globale Ordnung zu errichten, die auf ihren Regeln beruht.« Er verwies darauf, dass »die Menschheit noch nie über ein so großes wissenschaftliches und technisches Potential und eine so außergewöhnliche Fähigkeit verfügte, Wohlstand und Wohlergehen zu schaffen, und die Welt dennoch noch nie so ungleich und die Ungleichheit so tiefgreifend war«. Als Beispiel nannte er »die schwindelerregende Zunahme der Zahl von Armen und Erwerbslosen, während viele Länder staatliche Investitionen in die Rüstungsindustrie erhöhen«.
Auch andere Beiträge dokumentierten die »gefährliche Spaltung zwischen dem Westen und dem Süden«, vor der UN-Generalsekretär António Guterres gewarnt hatte. So äußerte Boliviens Präsident Luis Arce seine Besorgnis über die Zunahme bewaffneter Konflikte, die die Menschheit derzeit nicht nur in der Ukraine erlebe. Arce warnte vor »einseitigen Sanktionen, die von mächtigen Nationen mit dem Ziel verhängt werden, Regierungen zu brechen, auf Kosten des Hungers und des Leidens der Bevölkerung«.
Kolumbiens neuer Staatschef Gustavo Petro sagte, der Kampf gegen die Klimakrise sei gescheitert, und damit sei zu erwarten, dass auch die Demokratie scheitern werde. Petro kritisierte die Zerstörung des Amazonasgebietes und bezeichnete »das Gerede von der Rettung des Regenwaldes« als heuchlerisch, während die Welt »mit dem Krieg spielt«. Ähnlich argumentierte der argentinische Präsident Alberto Fernández. Die Menschheit sei in Gefahr, sagte er und forderte alle Länder auf, »Maßnahmen zur Reduzierung der Ungleichheit« zu ergreifen. »Die Ungerechtigkeiten, denen die Menschheit ausgesetzt ist, werden sich verschlimmern, wenn sich extreme Positionen durchsetzen, wenn Kriege über längere Zeit andauern, die den Hunger verschärfen, und wenn die anhaltende Inflation die Einkommen der Schwächsten auffrisst«, sagte er. Als eine der drängendsten Herausforderungen müsse die Ernährungssicherheit für alle Bewohner des Planeten gewährleistet werden.
Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, bezeichnete »eine Weltordnung, in der es Länder der dritten und vierten Kategorie gibt«, als inakzeptabel. Sie forderte, »die willkürliche globale Ordnung grundlegend zu ändern, die Länder belohnt, die den Reichtum in den Händen einiger weniger konzentrieren und die Ungleichheit verstärken«. Abweichend von anderen Staats- und Regierungschefs der Region nutze Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die Generaldebatte vor allem zu Angriffen auf Luiz Inácio Lula da Silva, seinen linken Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl am 2. Oktober.