Internationale Konferenz in Brüssel gegen die US-Blockade Kubas. Solidarität zeigen im Machtzentrum der EU. Ein Gespräch mit Hernando Calvo Ospina
Interview: Annuschka Eckhardt
Vergangenen Mittwoch hatte die Partei der Europäischen Linken zu einer internationalen Konferenz ins EU-Parlament in Brüssel geladen. Das Motto: »Lasst Kuba leben: Beendet das Embargo«. Was erwarten Sie nach so vielen Jahren der Blockade von solch einer Veranstaltung?
Die Blockade gegen Kuba ist die längste in der Geschichte der Menschheit. Es ist verbrecherisch, wie ein Staat versucht, ein Volk und seine Revolution durch Hunger zu unterdrücken. Kein europäisches Land könnte das auch nur eine Woche lang aushalten, was Kuba in 60 Jahren dieser Blockade ertragen hat. Das muss weiterhin an allen Ecken und Enden angeprangert werden, vor allem auch im Europäischen Parlament. Es war ein sehr wichtiger politischer Akt, im Zentrum der europäischen Macht zu sprechen. Erinnern wir uns daran, dass die Europäische Union eine Komplizin der USA ist und der Verbrechen gegen Kuba mitträgt.
Kann man die derzeitige Situation in Kuba mit der sogenannten Sonderperiode in den 1990er Jahren vergleichen?
Die sogenannte Sonderperiode in Kuba war unerwartet und brutal. Die Kubaner lebten mit den Annehmlichkeiten, die der faire Handel mit den sozialistischen Ländern Osteuropas bot. Dies endete über Nacht, und die USA nutzten diese Situation, um Maßnahmen zu ergreifen, die die Wirtschaft ernsthaft beeinträchtigten, indem sie viele Möglichkeiten des internationalen Handels ausschlossen. Die Kubaner hatten fast nichts und überlebten nur, weil sie solidarisch miteinander waren und sogar die Reiskörner teilten, aber auch, weil sie an Fidel Castro und die Revolution glaubten. Länder wie Venezuela, die Kuba mit Erdöl zu einem Solidaritätspreis unterstützten, wurden von Washington ebenfalls mit Zwangsmaßnahmen angegriffen, die ihren internationalen Handel blockierten. Zu diesen Mitteln gegen die kubanische Wirtschaft kommt eine aggressive Medienkampagne, ein psychologischer Krieg, der die Bevölkerung dazu aufruft, sich gegen ihre Regierung zu erheben.
Wieviel Macht schreiben Sie den Exilkubanern in den USA zu?
In den 1990er Jahren beschloss ein Teil der wohlhabenden Kubaner in den USA, in eine Lobbygruppe in Washington zu investieren, um Gesetze gegen die kubanische Wirtschaft durchzusetzen. Und es war diese Gruppe, die die Gesetze durchsetzte, die Kuba bis heute am meisten schaden. Im Gegenzug erhielten viele US-Kongressabgeordnete Geld für ihren Wahlkampf. Außerdem sind die Wählerstimmen in Florida sehr begehrt, und die Mehrheit der Stimmen entfällt auf diejenigen, die gegen die Kubanische Revolution sind. In den 60er und 70er Jahren waren kubanischen Konterrevolutionäre an terroristischen Aktivitäten beteiligt, die von der CIA gesteuert und bezahlt wurden.
Zur Zeit ist es Ihnen aufgrund eines persönlichen Überflugverbots der USA nicht möglich, nach Kuba zu reisen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, wieder nach Kuba zu fliegen, was werden Sie dort zuerst tun?
Durch die Straßen schlendern, mit den Menschen sprechen und einen Rum trinken. Das ist eine Form der Entgiftung von dieser sozialen und politischen Situation, in der wir in Europa leben. Ich drehe momentan einen Dokumentarfilm über Kuba, auch wenn ich nicht dorthin reisen kann.
Welche Hoffnungen setzen Sie – auch in bezug auf Kuba – in die mehr oder weniger linken Staatschefs in Kolumbien, Brasilien, Mexiko und Chile?
Die Macht der USA über Lateinamerika ist so groß, dass es fast einer Revolution gleichkommt, wenn eine Regierung es wagt, nein zu einem Befehl aus Washington zu sagen. Lateinamerika erlebt ein Erwachen, das die USA beunruhigt. Aber das neue Weltpanorama, in dem vor allem China und Russland angekommen sind, um zu investieren, ohne ihr Militär einzuschalten oder lateinamerikanische Regierungen zu erpressen, ist sehr positiv. Die USA sind ein Synonym für den Diebstahl unserer Ressourcen, Staatsstreiche, Verbrechen und Invasionen. Sie haben nie etwas zugunsten der Mehrheit der Bevölkerung getan, ganz im Gegenteil. Und dies in Komplizenschaft mit den lateinamerikanischen Oligarchien.
Quelle: jW-Ausgabe vom 22.11.2022, Seite 2 / Ausland US-Imperialismus