Devisenmangel und steigender Bedarf: Regierung verteuert unter anderem Kraftstoff und stark subventionierten Strom
Von Volker Hermsdorf
Am Freitag vermeldete die kubanische KP-Zeitung Granma eine gute Nachricht: Die Ankunft eines Schiffes aus Brasilien, das 375 Tonnen Milchpulver transportierte. Dadurch werde die unentgeltliche Verteilung an Kinder bis zum Alter von sechs Jahren im März garantiert. Das kam bei vielen Familien gut an. Als weniger populär erwies sich die am selben Tag erfolgte Anhebung der Kraftstoff- und Strompreise. Beide Maßnahmen sind Teil eines Pakets, das auf die makroökonomische Stabilisierung des Landes abziele, so Präsident Miguel Díaz-Canel.
Die neue Preisstruktur der stark subventionierten Energieversorgung sei nötig, um mehr Devisen einzunehmen. Diese brauche das Land zum Erwerb von Lebensmitteln, Treibstoffen und anderer Waren auf dem internationalen Markt. Zum Beleg wies der Minister für Lebensmittelindustrie, Alberto López Díaz, vergangene Woche darauf hin, dass Kuba zur Versorgung von Kindern, Diätpatienten, schwangeren Frauen und Bedürftigen monatlich 2.000 Tonnen Milchpulver benötige. Dafür kaufte das Land 245 Tonnen aus Kanada, 500 aus Brasilien und 600 Tonnen von anderen Lieferanten.
Aufgrund einer Ausnahmeregelung der US-Regierung, die den Verkauf bestimmter Produkte an den Inselstaat gegen sofortige Barzahlung erlaubt, würden zusätzlich 500 Tonnen aus den USA bezogen. Die Bevölkerung müsse aber verstehen, dass Kuba angesichts der durch Washington verursachten Wirtschaftskrise nicht »einen der niedrigsten Treibstoffpreise der Welt« aufrechterhalten könne, begründete die Regierung zu Jahresbeginn die nun erfolgten Erhöhungen. Das Onlineportal Cubadebate verzeichnete dazu bis zum Wochenende rund 500 Kommentare, in denen häufig über die zusätzlichen Belastungen geklagt wird.
Die ursprünglich zum 1. Februar geplante Anhebung war wegen eines »durch einen ausländischen Virus« verursachten Cyberangriffs auf die Systeme der Treibstoffversorgung verschoben worden. Wie der Minister für Finanzen und Preise, Vladimir Regueiro Ale, mitteilte, wurde die ebenfalls angekündigte Anhebung der Tarife für den interprovinziellen Transport sowie die Erhöhung der Preise für Flüssiggas, das viele Haushalte zum Kochen benutzen, bis auf weiteres ausgesetzt.
Auf derselben Pressekonferenz verwies Energie- und Bergbauminister Vicente de la O Levy darauf, dass ein Ziel der Preiserhöhungen darin bestehe, Einsparungen zu fördern. Deshalb steige der Strompreis nur für den Verbrauch von mehr als 500 Kilowattstunden pro Monat. Laut O Levy betrifft das von rund 4.100.000 Stromkunden etwa 107.000 Haushalte. Es gehe nicht darum, die Subventionen des Stromtarifs abzuschaffen, sondern durch gezielte Maßnahmen »Einsparungen zu erzielen, ohne unseren Lebensstandard zu verlieren«, so O Levy.
Ähnliches gilt auch für die im Vergleich zu anderen Ländern niedrigen Treibstoffpreise. Bis Ende Februar kostete ein Liter Benzin (94 Oktan) 30 Pesos. Das entspricht 20 Eurocent nach dem offiziellen Kurs der staatlichen Cadeca-Wechselstuben. Seit Freitag sind es 156 Pesos. Für ausländische Besucher, die Kraftstoff nur gegen Valuta kaufen können, bleibt der Preis mit 1,30 US-Dollar (1,20 Euro) immer noch unter dem Niveau vieler Länder. Obwohl während der Pandemie und im Rahmen der neuen US-Sanktionen Kubas Devisenreserven schrumpften, wurde der Treibstoff weiter subventioniert. Das konnte wegen steigender Weltmarktpreise nicht gut gehen. Laut O Levy stieg der Benzinimport von 126.000 Tonnen 2021 auf 203.000 Tonnen im Jahr 2023. Derzeit liege der zu erwartende Jahresverbrauch bei etwa 360.000 Tonnen. Einen entsprechenden Anstieg gibt es für Diesel und Öl.
»Bis heute entsprechen die Preise nicht den Kosten, die uns entstehen«, so Minister Regueiro Ale. »Wir wissen, dass die Preiserhöhungen Auswirkungen auf die Kosten der Produktionsprozesse hat. Die Maßnahme an sich wirkt sich inflationär aus«, räumte er ein. »Aber es gibt eine Reihe von Entscheidungen, die ihre Auswirkungen abmildern«, ergänzte er und verwies darauf, dass private Transportanbieter ihre Tarife nicht erhöhen dürften, da die Großhandelspreise unverändert bleiben.
Quelle: junge Welt, Ausgabe vom 04.03.2024