Kuba: 67. Jahrestag des Angriffs auf Kasernen »Moncada« und »Carlos Manuel de Céspedes« in Zeiten der Coronapandemie
Von Volker Hermsdorf
In Kuba wird der »Tag der Nationalen Rebellion« am Sonntag wegen der Coronapandemie zum ersten Mal seit dem Sieg der Revolution im Januar 1959 nicht mit einem zentralen Festakt begangen. Das Politbüro der Kommunistischen Partei beschloss am 7. Juli, zum 67. Jahrestag des Angriffs auf die Kasernen »Moncada« in Santiago de Cuba und »Carlos Manuel de Céspedes« in Bayamo keine Aktivitäten zu organisieren, »die zu einer Menschenansammlung« führen.
Dennoch gebe es auch in diesem Jahr Möglichkeiten, die Ziele und die Aktion der jungen Revolutionäre vom 26. Juli 1953 angemessen zu würdigen, schrieb das Organ des Zentralkomitees der KP, Granma. »Es gibt keinen besseren Weg, den rebellischen Geist zu ehren, als den Kampf gegen die Covid- 19-Pandemie verantwortungsvoll zu führen«, kommentierte die größte Tageszeitung des Landes. Auch die eingeleiteten Maßnahmen zur Abfederung von wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise und der existentiellen Bedrohung Kubas durch die US-Blockade folgten dem Beispiel der Moncada-Rebellen, »aufrecht zu stehen und niemals vor den Drohungen der USA in die Knie zu gehen«.
Wie vor 67 Jahren werden junge Kubaner aktiv, um die Lebensbedingungen ihrer Landsleute zu verbessern. »Der Einsatz zur Bewältigung der Pandemiefolgen ist heute unser Moncada«, sagte José Ángel Fernández Castañeda, der Vorsitzende des Studentenverbandes FEU (Federación Estudiantil Universitaria) der Zeitung Juventud Rebelde. Nach seinen Angaben engagieren sich derzeit landesweit rund 60.000 Hochschulstudenten bei freiwilligen Einsätzen. Die jungen Leute arbeiten in Krankenhäusern und in der Landwirtschaft, helfen bei der Beobachtung gefährdeter Orte, machen Hausbesuche bei Familien und betreuen ältere Menschen in Pflegezentren.
Dank des Engagements dieser Studenten und anderer Freiwilliger, der früh eingeleiteten Kontrollmaßnahmen und der Effizienz seines staatlichen Gesundheitssystems steht Kuba in der Pandemie bislang besser da als andere Länder des Kontinents. Trotz einer vergleichsweise niedrigen Zahl an Neuinfektionen rief Präsident Miguel Díaz-Canel Anfang der Woche dazu auf, weiter an Maßnahmen festzuhalten, die eine Kontrolle der Pandemie ermöglichen. Während dies dem Land eine schrittweise Lockerung von Schutzmaßnahmen erlaubt, sehen die Verantwortlichen in den durch die US-Blockade verstärkten wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise eine ebenso große Herausforderung wie in der Eindämmung des Virus selbst.
In einer kürzlich aktualisierten Analyse warnte die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) vor einer Rezession historischen Ausmaßes in der Region. Die Institution geht von einem Einbruch der Wirtschaft zwischen sechs Prozent für Venezuela und 13 Prozent in Peru aus. Als Folge wird ein Anstieg der Zahl in Armut lebender Menschen von 185,5 Millionen auf 230,9 Millionen befürchtet. Das verschärft die soziale Ungleichheit in einer Region, in der laut dem am 13. Juli vorgestellten Welternährungsbericht der Vereinten Nationen bereits 2019 mehr als 47 Millionen Menschen Hunger litten. Der von CEPAL für Kuba prognostizierte Rückgang der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um acht Prozent liegt etwas unter dem in der gesamten Region erwarteten Durchschnitt von 9,1 Prozent. Für die kubanische Regierung ist die Entwicklung trotzdem ein Alarmsignal.
Beim Angriff auf die Moncada-Kaserne hätten die jungen Revolutionäre vor 67 Jahren ihr Leben auch dafür riskiert, dass alle Kinder zur Schule gehen können, jeder Kranke ein Recht auf ärztliche Behandlung hat und niemand mehr verhungern muss, schrieb die Gewerkschaftszeitung Trabajadores angesichts der düsteren Prognosen. Die Kämpfer zu ehren heiße, die mit der von ihnen begonnenen Revolution erstrittenen sozialen Errungenschaften zu verteidigen. Das alternative Gesellschaftsmodell Kubas sei durch die globale Krise der kapitalistischen Systeme, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und die ständig verschärfte US-Blockade in Gefahr. Die kubanischen Gewerkschaften unterstützen deshalb alle Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft, die der Ministerrat am 16. Juli beschlossen hat.
Der 26. Juli 1953
Der 26. Juli fiel 1953 genauso wie 1959, als die Revolution siegte, und wie in diesem Jahr auf einen Sonntag. An jenem Tag attackierte eine Gruppe von 160 Guerilleros, angeführt vom 26jährigen Anwalt Fidel Castro Ruz, die Kasernen »Moncada« in Santiago de Cuba und »Carlos Manuel de Céspedes« in Bayamo.
Die Rebellen waren junge Leute, zwischen 21 und 30 Jahre alt, meist aus Arbeiter- oder Bauernfamilien der Umgebung stammend, aber auch einige Studenten aus Havanna. Sie riskierten ihr Leben, um den von Washington unterstützten Diktator Fulgencia Batista zu stürzen, Armut und Elend, Arbeitslosigkeit und Kindersterblichkeit, den Mangel an Ärzten und Lehrern zu beheben und die Unabhängigkeit des Landes zu erkämpfen. Die Gewerkschaftszeitung Trabajadores unterstrich am vergangenen Montag, dass es in Kuba noch immer um diese Ziele der jungen Revolutionäre geht. Heute müssten das Erreichte und der Sozialismus gegen die US-Blockade verteidigt und vor den Folgen der Coronakrise geschützt werden.
Als die Moncada-Kämpfer aufwuchsen, waren Ausbildung und Arbeit für die Mehrheit der damals fünfeinhalb Millionen Einwohner Kubas unerreichbare Ziele. In den wenigen kleinen Schulen auf dem Land saßen die Schüler noch bis in die 1950er Jahren barfuß, halbnackt und unterernährt im Unterricht. Mehr als die Hälfte der schulpflichtigen Kinder besuchte überhaupt keine Schule. Rund 90 Prozent der Landkinder litten unter einem Befall mit Parasiten. Jedes Jahr starben Tausende von ihnen an den Folgen der Armut, weil ihre Eltern kein Land besaßen, auf dem sie etwas für ihre hungernden Familien hätten anbauen können. Über 50 Prozent des bebauten Landes befanden sich im Besitz ausländischer Konzerne, wie der US-amerikanischen United Fruit Company.
In seiner berühmten Verteidigungsrede »Die Geschichte wird mich freisprechen« hatte Fidel Castro, der als Hauptverantwortlicher für den Angriff auf die Moncada-Kaserne zu 15 Jahren Zuchthaus auf der Isla de Pinos verurteilt worden war, am 16. Oktober 1953 das Batista-Regime für die soziale Misere angeklagt. Nicht der Sturm auf die Kasernen sei unbegreiflich, sagte Castro. »Unbegreiflich ist, dass Kinder ohne ärztliche Hilfe sterben und dass die meisten Familien auf dem Lande unter schlechteren Bedingungen leben als die Indianer, die Columbus traf«, als er die Insel zum ersten Mal betrat.
Nach dem Datum des bewaffneten Aufstandes nannte Fidel Castro später die von ihm aufgebaute Rebellenorganisation »Bewegung des 26. Juli«. Deren schwarz-rote Fahnen mit der Aufschrift M-26-7 schmücken auch in diesem – von der Covid-19-Pandemie geprägten – Jahr, zum Jubiläum des Moncada-Angriffs und zur Ehrung der mutigen jungen Rebellen viele Häuser, Balkone, öffentliche Gebäude, Geschäfte und Hotels in allen Städten des sozialistischen Kuba. (vh)