Spott für Doppelmoral: Rechte Abgeordnete scheitern mit Initiative zum Stopp des Dialogs mit Kuba
Von Volker Hermsdorf
Eine kleine Gruppe EU-Abgeordneter der spanischen Rechtsparteien Partido Popular, Ciudadanos und Vox ist am Dienstag in der Plenartagung des EU-Parlaments mit dem Versuch gescheitert, die Beziehungen zwischen Brüssel und Kuba zu torpedieren. Mit einer vom rechten Flügel auf die Tagesordnung gesetzten Debatte zum Thema »Menschenrechte und politische Situation in Kuba« wollten deren Initiatoren die Umsetzung eines Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit stoppen.
Doch der Versuch wurde zum Bumerang. Während mehrere EU-Abgeordnete die Doppelmoral und politischen Absichten der Antragsteller entlarvten und die anhaltende Verletzung der Menschenrechte kubanischer Bürger durch die US-Sanktionen anprangerten, verteidigte Josep Borrell, der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Auswärtige Angelegenheiten, das Abkommen mit dem Inselstaat und bekräftigte die Kritik der EU an der US-Blockade.
»Wir sind gegen die Blockade, und wir sagen es jedes Jahr, macht mich das zum Verteidiger einer Diktatur?« zitierte die spanische Nachrichtenagentur Europa Press die Reaktion des EU-Außenbeauftragten auf die gegen Kuba erhobenen Angriffe der rechten Politiker aus Spanien und Tschechien. Borrell habe zwar auf die EU-Unterstützung für Mitglieder einer sich San-Isidro-Bewegung nennenden Gruppe von Systemgegnern hingewiesen, die im vergangenen Jahr inhaftiert worden waren, zugleich aber die Angemessenheit der Debatte angezweifelt und mit Spott bemerkt, dass er eine »Konzentration der Sorgen« mancher Abgeordneter auf bestimmte Länder wahrnehme, meldete die Agentur. »Soll ich Ihnen eine Liste von Ländern vorlegen, in denen es kein liberales, demokratisches Mehrparteiensystem gibt? Warum debattieren Sie nicht über ein anderes Land mit mir?« habe der EU-Chefdiplomat die Vertreter der Rechtsparteien gefragt.
Erneut verteidigte Borrell das »Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der EU und Kuba«, das 2017 den von dem dem Partido Popular angehörenden ehemaligen spanischen Premierminister José María Aznar formulierten »Gemeinsamen Standpunkt« abgelöst hatte, der auf einen Regime-Change in Kuba abzielte. »85 Prozent der EU-Abgeordneten haben für das neue Abkommen gestimmt«, wies Borrell die Forderung der Rechten zur Wiederaufnahme der restriktiven Kuba-Politik der Vergangenheit zurück. »Den Dialog aufzugeben und zu dem zurückzukehren, was wir vorher hatten, würde keinerlei Zweck erfüllen, noch würde es irgend jemandes Situation verbessern.«. Dagegen ermögliche das Abkommen zwischen Brüssel und Havanna neben Debatten über Menschenrechte auch eine Zusammenarbeit in anderen Fragen. »Im Moment untersuchen wir zum Beispiel die Möglichkeiten einer Beteiligung, um die Produktion von Impfstoffen gegen Covid-19 zu erhöhen, auf der Grundlage wissenschaftlicher Fortschritte, die in Kuba gemacht wurden«, sagte Borrell, der zugleich versichert habe, dass die EU der erste Partner der Insel für Handel und Investitionen bleibe, meldete die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina.
In der Debatte am Dienstag forderten mehrere Abgeordnete einen stärkeren Einsatz der EU zur Abwehr der US-Blockade und für den Ausbau der Beziehungen zu Kuba. Massimiliano Smeriglio von der Demokratischen Partei Italiens bedankte sich für den Einsatz kubanischer Mediziner in seinem Land »in der schlimmsten Phase der Pandemie« und appellierte angesichts der Angriffe auf Havanna an die Parlamentskollegen: »Lassen wir uns nicht zu dieser Farce hinreißen.« Der Abgeordnete der Kommunistischen Partei Griechenlands, Lefteris Nikolaou-Alavanos, wies darauf hin, dass »Kuba trotz Blockade die Gesundheit seiner Bevölkerung geschützt und Fortschritte bei der Entwicklung von Impfstoffen gemacht hat«. Kuba respektiere nicht nur die Menschenrechte seines Volkes, sondern sei darüber hinaus auch ein Beispiel für internationale Solidarität mit anderen Völkern, ergänzte der Gewerkschafter und spanische EU-Abgeordnete Manuel Pineda Marín von der Vereinten Linken. Pineda Marín kritisierte, dass »dieselben Leute, die den Narkofaschismus von Álvaro Uribe verteidigen und ihr Veto einlegen, so dass wir hier nicht über die Situation in Kolumbien diskutieren können, Kuba angreifen«. Seine Schlussfolgerung daraus: »Die Rechten sind nicht an Menschenrechten interessiert, sondern wollen nur, dass das Europäische Parlament zum Lautsprecher ihrer reaktionären und neofaschistischen Politik wird.«