Pandemie, Klima und US-Blockade gegen Kuba: Lateinamerikas Staatschefs prangern auf UN-Generalversammlung globale Ungerechtigkeit an. Von Volker Hermsdorf
Corona, Klima, Ungleichheit, die ungerechte Verteilung von Coronaimpfstoffen sowie die Forderung nach Beendigung der gegen Kuba verhängten US-Blockade beherrschten in dieser Woche die Reden lateinamerikanischer Staats- und Regierungschefs in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär António Guterres hatte der Debatte am Dienstag die Warnung vorangestellt, »dass wir mit der größten Anhäufung von Krisen konfrontiert sind, darunter der Klimawandel, die globale Pandemie, die Bedrohung von Frieden und Menschenrechten und die zunehmende Spaltung, während es an Solidarität fehlt – gerade dann, wenn wir sie am meisten brauchen«.
Mit dem brasilianischen Präsidenten, der die Generaldebatte traditionsgemäß eröffnete, ergriff dann als erster ausgerechnet der Covid-19-Leugner Jair Bolsonaro das Wort, der damit prahlt, sich nicht impfen zu lassen. Provokativ hatte Bolsonaro, dem als Staatschef nicht der Zutritt in das UN-Gebäude verweigert werden konnte, die Aufforderung von New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio ignoriert: »Wenn Sie hierher kommen, müssen Sie sich impfen lassen. Und wenn Sie das nicht wollen, dann bleiben Sie weg.«
Die zwölfminütige Eröffnungsrede, in der Bolsonaro behauptete, die Abholzung der Tropenwälder im Amazonasgebiet reduziert zu haben, unwirksame Methoden zur Behandlung von Coronapatienten vorschlug und die »Friedenspolitik« seiner Regierung lobte, bezeichnete der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in einem Radiointerview als »Anhäufung von Lügen und eine Schande für 213 Millionen Brasilianer«, die Bolsonaro vor aller Welt blamiert habe. Zum Abschluss seiner Rede hatte der Faschist sich selbst gelobt und gesagt, dass Brasilien »jetzt einen Präsidenten hat, der an Gott glaubt, das Militär respektiert und die Familie schätzt. Das ist eine Menge, wenn man bedenkt, dass wir am Rande des Sozialismus standen«.
Ganz andere Töne schlug der peruanische Präsident Pedro Castillo an. Der Staatschef, der mit einem großen Hut auf dem Podium erschien, erinnerte daran, dass mit ihm »zum ersten Mal ein einfacher Lehrer aus dem ländlichen Raum« als »Ergebnis einer Abstimmung über einen nachhaltigen sozialen Wandel« die Macht übernommen habe. Castillo verlangte eine »stärkere internationale Zusammenarbeit, um den Zugang zu Impfungen zu gewährleisten«.
Sein argentinischer Amtskollege Alberto Fernández forderte, Impfstoffe »als globales öffentliches Gut« zu betrachten. Er betonte, dass die Pandemie auch zu einer Menschenrechtskrise geführt und die Ungerechtigkeiten in der lateinamerikanischen Region und der übrigen Welt verschärft habe. Costa Ricas Präsident Carlos Alvarado wies darauf hin, dass nur zwei von zehn Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen gegen das Coronavirus geimpft seien. Unterstützt von weiteren Rednern, setzte Alvarado sich außerdem für »ein Ende der einseitigen, völkerrechtswidrigen Maßnahmen gegen die kubanische Bevölkerung« ein.
Venezuelas Staats- und Regierungschef Nicolás Maduro griff die Vorlage auf. »Wir müssen eine Welt ohne hegemoniale Imperien schaffen, befreit von der wirtschaftlichen, finanziellen, militärischen und geopolitischen Vorherrschaft irgendeines Imperiums derer, die jahrhundertelang die Welt mit dem alten Kolonialismus ausgebeutet haben«, erklärte er. »Eine ungerechte, undemokratische internationale Ordnung ist die Ursache für die Ungleichheiten und die Ausgrenzung, mit denen die große Mehrheit der Menschen heute konfrontiert ist und die durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie noch verschärft werden.«
»Solange eine solche Weltordnung vorherrscht, werden die edelsten Ziele eine Schimäre bleiben«, ergänzte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel. Zugleich gab er sich aber auch optimistisch: »Der Aufbau der Welt, von der wir träumen, ist eine Mammutaufgabe, aber sie ist möglich, wenn wir dem Egoismus abschwören und gemeinsam daran arbeiten, die derzeitige ungerechte internationale Ordnung in eine demokratischere und gerechtere umzuwandeln, in der niemand zurückgelassen wird.«