Kuba und EU unterzeichnen Kooperationsabkommen im Gesundheitsbereich. Vertreter Brüssels lobt Solidarität der Inselrepublik
Von Volker Hermsdorf
Kubanische Ordnungskräfte haben in der Nacht zum Freitag eine Gruppe Systemgegner wegen Missachtung von Regelungen zum Schutz vor Coronainfektionen vorübergehend in Gewahrsam genommen. Zuvor hatten Ärzte der Gesundheitsbehörde den Sitz der sich als »Bewegung San Isidro« bezeichnenden Gruppierung in Havannas Altstadt aufgesucht, wo sich Carlos Manuel Álvarez, ein Autor des aus dem Ausland finanzierten Contraportals »El Estornudo«, aufhielt.
Álvarez war am Dienstag – nach einem Stopp in den USA – aus Mexiko eingereist, hatte sich während der Quarantäne aber nicht an dem von ihm angegebenen Wohnort aufgehalten und damit gegen Bestimmungen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus verstoßen. Statt dessen hatte er die Mitglieder von »San Isidro« aufgesucht und sich aus deren Haus per Internet öffentlich mit ihrem »Hungerstreik gegen die Inhaftierung des Systemgegners Denis Solís« solidarisiert.
Während die kubanischen Behörden und Medien die Maßnahmen mit »der Verletzung des Gesundheitsprotokolls« begründeten, nutzten Gegner des sozialistischen Gesellschaftssystems den Vorfall für eine internationale Kampagne. »Die Erstürmung des Künstlerhauses beweist erneut, dass Kuba von einer brutalen Diktatur beherrscht wird«, verbreitete die rechtslastige Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) mit Sitz in Frankfurt am Main am Freitag. Aus den USA erklärten Außenminister Michael Pompeo, der stellvertretende Sekretär des State Department für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre, Michael Kozak, die Koordinatorin des Büros für kubanische Angelegenheiten im US-Außenministerium, Mara Tekach, und der republikanische Senator für Florida, Marco Rubio, ihre »Solidarität mit der Bewegung von San Isidro«. Rechte Exilkubaner forderten am Wochenende mit einer Demonstration in Miami »Freiheit für Denis Solís«. Unterstützt werden Solís und die San-Isidro-Gruppe ebenfalls von Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, und dem selbsternannten venezolanischen »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó.
Rechte Medien verbreiten deren Erklärungen weltweit. Das deutsche Onlineportal Latinapress übernahm einen IGFM-Text wörtlich, stellte ihn als eigenen redaktionellen Beitrag dar, und behauptete: »Die Machthaber in Havanna riskieren Tote«. Die kubanische Darstellung der Hintergründe wird unterschlagen. Dabei stellte die Tageszeitung Granma klar: »Ohne die Bürgerrechte von irgendeinem der Beteiligten zu verletzen, fand diese Präventivaktion aus dem Interesse heraus statt, die kubanische Bevölkerung vor der Ausbreitung der Pandemie sowie das Leben jener zu schützen, die direkte Kontakte zu Álvarez hatten.« Auch die Ankündigung, dass alle Beteiligten »nach Überprüfung ihres Gesundheitszustandes wieder an ihren jeweiligen Wohnsitz zurückkehren können«, interessierte westliche Medien nicht.
Am Sonnabend hatte der in Havannas Außenministerium für US-Angelegenheiten zuständige Generaldirektor, Carlos Fernández de Cossío, dem Geschäftsträger der US-Botschaft, Timothy Zúñiga-Brown, vorgeworfen, »sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen«. Der US-Diplomat habe gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verstoßen, indem er mehrfach die Gruppe von San Isidro aufgesucht und Personen, »die gegen die Gesundheitsvorschriften zum Schutz vor der Covid- 19-Pandemie verstießen, persönlich befördert« habe. In »voller Kenntnis über das Vorgehen der Regierung der Vereinigten Staaten beim Sturz legitimer Regierungen, bei der Ausführung oder Förderung von Staatsstreichen, beim Schüren sozialer Instabilität« werde Kuba den USA diese Aktionen auf seinem Territorium nicht erlauben.
Zuvor waren mehrere Dutzend Systemgegner am Freitag vor dem Kulturministerium in Havanna aufmarschiert, hatten sich mit den San-Isidro-Aktivisten solidarisiert und die Freilassung von Solís gefordert. Der von der Taz als »scharfer Antikommunist« bezeichnete und mehrfach vorbestrafte Solís, der in den vergangenen Wochen laut derselben Zeitung, »vorwiegend Unterstützungsbekundungen für Donald Trump« abgegeben hatte, war Anfang November zu acht Monaten Haft verurteilt worden. Einer der Vorwürfe lautete, dass der sich selbst als Rapper bezeichnende Trump-Anhänger eine Aussage über mutmaßliche Kontakte zu terroristischen Gruppen in den USA verweigert und den Polizisten, der ihm die Vorladung überbrachte, mit unflätigsten Beschimpfungen verbal attackiert hatte. Wie die Vertreter der US-Regierung, OAS-Generalsekretär Almagro und Guaidó bezeichnete die Taz, die Álvarez nach eigenen Angaben als »gelegentlichen Autor« beschäftigt, die Aktionen der San Isidro-Gruppe dagegen in einer Überschrift am Mittwoch als »Fanal gegen Repression«.