Von Volker Hermsdorf
Sanktionen gegen Kuba und Russland verfehlen auf Dauer ihr Ziel. Das stellte Moskaus Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch abend (Ortszeit) bei seiner Ankunft in Havanna fest. Der Politiker besucht die sozialistische Inselrepublik zum Abschluss einer fünftägigen Lateinamerikareise. Seit Montag hatte Lawrow in Gesprächen mit den Staats- und Regierungschefs Brasiliens, Venezuelas und Nicaraguas für die Erweiterung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und den Ausbau der strategischen Partnerschaften geworben. In Caracas konferierte er außerdem mit seinem bolivianischen Amtskollegen Rogelio Mayta und dem Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves.
In den Gesprächen mit Präsident Miguel Díaz-Canel und Außenminister Bruno Rodríguez gehe es dem Vertreter Moskaus um »die Koordinierung von gemeinsamen Maßnahmen zur Bewältigung der gegenwärtigen geopolitischen Herausforderungen«, berichtete die russische Agentur TASS. Wie mehrere lateinamerikanische Staaten sei auch sein Land Erpressungsversuchen und illegalen Sanktionen der USA und ihrer westlichen Verbündeten ausgesetzt, hatte Lawrow zuvor erklärt. Díaz-Canel wies nach seiner ebenfalls am Mittwoch erfolgten Wiederwahl als Präsident auf die Folgen der seit mehr als 60 Jahren bestehenden US-Blockade hin. »Russland und Kuba haben aber Mechanismen entwickelt, um unabhängig von den restriktiven Maßnahmen des Westens Ergebnisse zu erzielen. Heute arbeiten wir an Ansätzen für die Einrichtung von Logistikketten, Finanzierungen und Bankgeschäften, die nicht von den Launen der Vereinigten Staaten abhängen«, kündigte Lawrow an.
Russland will mit seinen lateinamerikanischen und karibischen Partnern unter anderem Zahlungssysteme in Landeswährungen einrichten, um Handelsgeschäfte auf Dollar- und Euro-Basis zu vermeiden. Der für Kuba wichtige Tourismussektor setzt bereits darauf. Seit März akzeptieren einige Banken der kubanischen Hauptstadt Karten des nationalen russischen Zahlungssystems »Mir«. Solche Ansätze sind nicht nur defensive Maßnahmen zur Abwehr von Sanktionsfolgen, sondern auch Bausteine für das Ziel, westliche Dominanz durch Multipolarität zu ersetzen. »Die Rhetorik über den Zusammenbruch der unipolaren Weltordnung stößt in Lateinamerika auf offene Ohren«, kommentierte die in Moskau erscheinende Tageszeitung Wedomosti den bisherigen Verlauf der Reise.
Die Positionierung seiner Gastgeber zum Ukraine-Konflikt dürfte Lawrow ebenfalls als Erfolg verbuchen. Brasiliens Regierung kritisierte die einseitigen Sanktionen des Westens und bestätigte die Bereitschaft, an der Bildung einer Gruppe von Ländern mitzuwirken, die einen Waffenstillstand aushandeln sollten. Auch Venezuela verurteilt Sanktionen als rechtswidrig, während Kuba zugleich die Position Russlands über die Unzulässigkeit einer weiteren Ausdehnung der NATO in Richtung seiner Grenzen unterstützt. Am weitesten und eher wenig diplomatisch lehnte sich Nicaraguas Präsident Daniel Ortega aus dem Fenster: Die Russische Föderation kämpfe gegen »Faschisten, die einen Staatsstreich in der Ukraine inszeniert haben (…) und es sind Hitlers Kinder, die dort regieren«.
Zwar sind Erklärungen aus Ländern, die zu den klassischen Verbündeten Russlands gehören, keine Sensation, doch haben vor allem der herzliche Empfang und die Gespräche mit Regierungsvertretern Brasiliens, der größten Wirtschaftsmacht Lateinamerikas, gezeigt, wie stark die Position der NATO-Länder mittlerweile in der Region isoliert ist.