Gunst des Augenblicks

Rechte US-Politiker drängen auf »freien Fluss von Informationen« in Kuba. Techkonzerne im Wettlauf um Steuergelder
Von Volker Hermsdorf

In den USA üben konservative Politiker Druck auf US-Präsident Joseph Biden aus, teure Internetprojekte multinationaler Konzerne zu finanzieren. Als Vorwand für den Zugriff auf Millionen Dollar an Steuergeldern dient die Forderung, in Kuba einen »freien Internetzugang« zu ermöglichen. Lobbyisten verbreiten dazu, Havanna habe »der Protestbewegung« nach den teils gewalttätigen Aktionen vom 11. Juli »den Zugriff auf soziale Netzwerke verwehrt«. Hinter der Kampagne für ein »freies Internet auf Kuba« stecken neben politischen Plänen jedoch vor allem wirtschaftliche Interessen. Google-Mutterkonzern Alphabet und Amazon stehen in den Startlöchern. Auch Multimilliardär Elon Musk ist mit seinem Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen »Spacex« am Kuba-Geschäft interessiert.

Während mehrere kubanische Onlinemedien nach dem 11. Juli durch – vorwiegend aus den USA erfolgte – Cyberangriffe tagelang blockiert waren, forderte die republikanische Kongressabgeordnete María Elvira Salazar aus Florida (sprich, von der exilkubanischen Contra-Gemeinde in Miami) Präsident Biden auf, »der Insel einen Internetzugang zu verschaffen, damit Kubaner sich organisieren und weiter auf die Straße gehen können«. Auch andere Republikaner wie der Senator Marco Rubio und der Gouverneur von Florida, Ronald DeSantis, drängen den Präsidenten, »unverzüglich zu handeln und Finanzmittel für US-Unternehmen« bereitzustellen. »Es müssen sofort Maßnahmen ergriffen werden«, zitierte die spanische Nachrichtenagentur Efe am 15. Juli aus einem Brief von DeSantis an Biden. Der Präsident erklärte darauf am 22. Juli: »Wir arbeiten aktiv mit dem privaten Sektor zusammen, um kreative Wege zu finden, mit denen wir sicherstellen, dass das kubanische Volk einen sicheren Zugang zum freien Fluss von Informationen im Internet hat«.

Dafür wollen gleich mehrere US-Konzerne die Gunst des Augenblicks nutzen, um auf Eis gelegte Projekte mit öffentlichen Geldern wieder aufnehmen zu können. Anders als bei dem vom »Open Technology Fund« der US-Regierung und dem »Open Society Institute« des US-Milliardärs George Soros geförderten VPN-Netzwerk »Psiphon« zur Umgehung angeblicher Zensur-Firewalls geht es den Multis dabei um gewaltige Summen. Die Firma »Loon«, ein weiteres Alphabet-Tochterunternehmen, hat beispielsweise eine Technologie entwickelt, um mit riesigen Heliumballons, die als »Mobilfunkmasten« dienen, ein mobiles Internet über mehr als 4.000 Quadratkilometer aufzubauen, wie das Wall Street Journal am 18. Juli das Projekt beschrieb. Bei Tests mit zwei Ballons hatte Loon Verbindungen über Entfernungen zwischen 600 und 1.000 Kilometern aufbauen können, was die vollständige Abdeckung Kubas vom US-Luftraum aus ermöglicht. Nachdem Loon sich in Kooperation mit AT & T in Puerto Rico nach dem Durchzug des Hurrikans »Maria« bei der Internetversorgung von 100.000 Menschen auch in der Praxis bewährt hatte, kündigte das Unternehmen an, ab 2019 den kommerziellen Dienst aufzunehmen. Doch Konzernmutter Alphabet ließ die Arbeiten an dem Projekt Anfang dieses Jahres einstellen, weil es kein »rentables Geschäftsmodell« versprach. Jetzt verlangen rechte US-Politiker von der Biden-Regierung, WLAN-Ballons und Satelliten zu finanzieren, um »in Kuba ungefilterte Verbindungen« zu ermöglichen, meldete AFP am 17. Juli.

Auch Amazon hat in seinem Forschungszentrum in Redmont mit dem Projekt »Kuiper« eine Technologie entwickelt, die Internetverbindungen unabhängig von kubanischen WLAN-Netzen ermöglicht. Mit derzeit bereits mehr als 3.200 eigenen Satelliten sei »Kuiper« in der Lage, diese weltweit an Orten bereitzustellen, ohne auf herkömmliche Glasfaser- oder Drahtlosnetze angewiesen zu sein, kündigt der US-Konzern auf seiner Webseite an. Noch größer denkt Musk mit dem Starlink-Internetdienst seiner Weltraumfirma Spacex, der ähnlich wie Kuiper funktioniert. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona kündigte Musk Ende Juni an, die Zahl seiner Starlink-Satelliten von derzeit 1.700 künftig auf bis zu 42.000 zu erhöhen und so den Internetempfang bis in die entlegensten Winkel der Welt unabhängig von ländereigenen Anbietern zu ermöglichen.

Aus: jW-Ausgabe vom 09.08.2021

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