Obwohl laut EU-Verordnung unzulässig: Europäische Banken wenden US-Blockadegesetze gegen Kuba an
Von Volker Hermsdorf
Das internationale Banken- und Finanzsystem gehört zu den wichtigsten Aktionsfeldern der US-Regierung, um die kubanische Ökonomie zu schwächen und die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Treibstoff, Medikamenten und anderen Produkten zu beeinträchtigen. Inmitten der Coronapandemie zielt die von den Vereinten Nationen als völkerrechtswidrig verurteilte US-Blockade gar darauf ab, das Gesundheitswesen zu sabotieren.
Wie aus dem am 22. Oktober von Außenminister Bruno Rodríguez vorgelegten Jahresbericht über die Auswirkungen der US-Blockade hervorgeht, wurden der kubanischen Wirtschaft von April 2019 bis März 2020 durch die Behinderung von Bankgeschäften finanzielle Schäden von mehr als 284,3 Millionen US-Dollar zugefügt. Im Berichtszeitraum haben sich demnach 137 ausländische Banken aus verschiedenen Gründen geweigert, Geschäfte mit Bezug zu Kuba zu tätigen. Davon seien 315 Transaktionen betroffen gewesen. Mit Druck, Einschüchterung und Abschreckung wende die US-Regierung gegenüber Finanzinstituten in zunehmendem Maße aggressive Methoden an, um die Bankgeschäfte Kubas und den Erhalt von Einnahmen aus dem Ausland zu behindern, heißt es in dem Bericht.
Obwohl die exterritoriale Anwendung der US-Blockadegesetze in den Ländern der Europäischen Union nach der EU-Verordnung 2271/96 nicht zulässig ist und Artikel 5 dieser Verordnung es ausdrücklich verbietet, »Anweisungen oder Forderungen von US-Stellen, die auf den illegalen Blockadegesetzen beruhen«, nachzukommen, unterwerfen sich mehr europäische Finanzinstitute als Banken auf anderen Kontinenten den US-Sanktionen. So haben zum Beispiel vier von sieben Instituten, die im Berichtszeitraum Konten kubanischer Einrichtungen unter Berufung auf US-Vorschriften geschlossen oder deren Eröffnung abgelehnt hatten, ihren Sitz in der EU. 14 Banken, darunter sieben europäische, drei asiatische, drei lateinamerikanische und eine US-Bank, verweigerten Transfers aus oder nach Kuba.
Der kubanischen Botschaft in einem europäischen Land sowie den Generalkonsulaten und dem Generalkonsul selbst waren ihre Kreditkarten gesperrt und die Nutzung von Geldautomaten untersagt worden. Eine Bank lehnte sogar die Überweisung der Renten von Bürgern desselben Landes mit der Begründung ab, dass die Empfänger in Kuba leben. Drei ausländische Finanzinstitute behielten die Mittel kubanischer Einrichtungen in Höhe von insgesamt 4,2 Millionen US-Dollar widerrechtlich ein. Zwei davon haben ihren Firmensitz in der EU.
Schließlich stellt der Bericht fest, dass die Geld- und sogenannte Heimatüberweisungen an Familienmitglieder verstärkt beeinträchtigt wurden, um den Empfang von Devisen zu verhindern. Auch dabei unterstützten europäische Banken die US-Regierung in vorauseilendem Gehorsam. Insgesamt hatten 77 Einrichtungen, davon 43 aus der EU, Banküberweisungen nicht ausgeführt oder zurückgegeben. Als Grund dafür wurde auf »die Existenz von Sanktionen gegen Kuba« verwiesen.
Viele Geldinstitute beugen sich allerdings auch deshalb dem Druck Washingtons, weil europäische Regierungen den gesetzeswidrigen Aktionen der US-Finanzaufsicht tatenlos zusehen und die eigenen Unternehmen nicht vor deren illegalen »Strafmaßnahmen« schützen. So waren die französische Bank BNP Paribas wegen »Verstößen« gegen die US-Blockade 2014 mit einer Geldbuße von 8,9 Milliarden US-Dollar, die Crédit Agricole mit 787 Millionen Dollar, die deutsche Commerzbank 2015 mit 1,71 Milliarden, die französische Société Générale 2018 mit 1,34 Milliarden und die italienische Bank Unicredit 2019 mit einer Strafe von 1,3 Milliarden US-Dollar belegt worden.
Artikel aus: Tageszeitung junge Welt vom 29. Oktober 2020