Von Nick Brauns
Es war ein ungewohntes Bild im Deutschen Bundestag: Auf dem Podium stand die kubanische neben der deutschen Flagge, darüber hing ein rotes Banner mit der Forderung »US-Blockade gegen Kuba beenden – jetzt!« Um Wege zu diesem Ziel zu beraten, hatte die Gruppe Die Linke am Montag zu einem Fachgespräch in den Bundestag geladen.
Dort konnte der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann einen hochrangigen Gast aus dem sozialistischen Inselstaat begrüßen: Als »sehr schwierig und hart« beschrieb Homero Acosta Álvarez, Sekretär der Nationalversammlung in Havanna, die derzeitige Lage der kubanischen Bevölkerung. Die Wirtschaftskrise sei die schlimmste seit der »Sonderperiode« Anfang der 1990er Jahre. Infolge der während der ersten Präsidentschaft von Donald Trump verschärften und unter Joe Biden selbst unter der Covid-19-Pandemie nicht zurückgenommenen Blockademaßnahmen fehle es heute an Medikamenten, Dünger, Treibstoff und Ersatzteilen – mit drastischen Folgen für die Ernährungssituation wie für die Stromversorgung. Auch Umweltkatastrophen hätten Kuba zugesetzt. Acosta verwies auf die großen Schäden, die durch eine Abfolge von Hurrikans und Erdbeben verursacht wurden. Nun gelte es zudem, sich dem »politischen Hurrikan« der kommenden vier Jahre entgegenzustellen – der zweiten Amtsperiode von Trump. Dessen designierter Außenminister Marco Rubio propagiert nicht weniger als eine »Erdrosselung Kubas«.
Acosta, der dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei angehört, betonte: »Wir beharren auf der Idee des demokratischen Sozialismus.« Das kubanische Volk habe ein Recht darauf, seinen selbstgewählten Entwicklungsweg zu verfolgen. Die 2019 von fast 87 Prozent der Wähler nach einem breiten Diskussionsprozess mit 130.000 Versammlungen in Betrieben, Universitäten und Stadtvierteln sowie nach 700.000 eingereichten Änderungsvorschlägen angenommene neue Verfassung, die die Rechte der Bevölkerung ausweitet, zeige die Legitimität des politischen Systems. »Trotz aller Probleme: Wir werden weiter bestehen und die Kubanische Revolution wird wieder auf die Beine kommen«, versicherte Acosta. Denn es sei eine große Lüge, zu behaupten, dass Kuba alleine stehe. »Kuba hat heute mehr Unterstützung denn je. In diesem Sinne ist die US-Politik bereits gescheitert – und eines Tages werden sie die Blockade aufheben müssen.«
Wie die seit 1961 von den USA gegen Kuba verhängten politischen und ökonomischen Sanktionen – die erklärtermaßen auf den Sturz der sozialistischen Regierung zielen – gegen das Völkerrecht und gegen internationale Verträge zum Schutz der Handelsfreiheit verstoßen, führte der renommierte Hamburger Völkerrechtler Norman Paech aus. Vor einem Jahr hatte der emeritierte Professor in den Räumen des EU-Parlamentsgebäudes in Brüssel ein hochkarätig besetztes internationales »Tribunal« gegen die US-Blockade geleitet. Dessen »Urteil« ist allerdings genausowenig bindend wie die Verurteilung der Blockade durch die UN-Vollversammlung – zuletzt Ende Oktober mit 187 Jastimmen gegen die zwei Neinstimmen der USA und Israels sowie einer Enthaltung. Darum kündigte Paech an, im Januar nach Kuba zu reisen, um der Regierung den kühnen Vorschlag zu unterbreiten, eine Klage gegen die USA vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Erwägung zu ziehen. Dazu müsste sich der sozialistische Staat zuerst dem IGH-Statut unterwerfen. »Ich bin der Überzeugung, dass sich der IGH durch die Klage Südafrikas gegen Israel aus der Reserve hat locken lassen und auch inhaltlich eine Wende vollzogen hat«, begründete Paech seinen Vorschlag gegenüber jW und verwies auf gewandelte internationale Kräfteverhältnisse, die sich auch im Gericht widerspiegelten.
Der Vorsitzende der Internationalen Kommission der Partei Die Linke, Wulf Gallert, regte an, im EU-Parlament eine Resolution gegen die US-Blockade zu erwirken. »Denn aus Sicht des US-Präsidenten sitzen wir ja fast schon im selben Boot wie Kuba«, sagte der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete. Denn Trump definiere Brüssel als »Konkurrenten« Washingtons, wenn nicht gar als »Gegner«. Es sei möglich, gegen die Embargopolitik auch jenseits der politischen Linken Verbündete zu finden, so Gallert.
Der Osten Deutschlands habe traditionell gute Beziehungen zu Kuba, sagte die Landtagskollegin Kerstin Eisenreich mit Blick auf die Möglichkeit »kleiner Schritte, um die Blockade zu durchbrechen«. So bestehe eine Kooperation der Handelskammer Sachsen-Anhalt mit einem Unternehmenspool in Kuba. Praktische Projekte betreibt die AG Cuba Sí der Linkspartei. Deren Gründungskonsens sei es Anfang der 1990er Jahre gewesen, dass Solidarität mit Kuba primär eine politische Aufgabe sei, um dort eine gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus zu erhalten, führte Cuba-Sí-Aktivist Jörg Büttmann an. Mehrfach hatten Teilnehmer der Gesprächsrunde betont, dass Unterstützung keine Einbahnstraße sei. Dem schloss sich die Botschafterin Kubas in der BRD an: »Wir brauchen die Solidarität der Linken – aber auch die Linke kann weiter auf Kuba zählen«, so Joana Martínez González.
Die Linke-Kovorsitzende Ines Schwerdtner verwies auf die gültige Beschlusslage ihrer Partei von 2022 zur unbedingten Solidarität mit dem sozialistischen Kuba. Etwas Wahlkampf gab es dann auch noch: »Unsere erste Aufgabe für Kuba ist es, am 23. Februar wieder als Fraktion in den Bundestag einzuziehen«, betonte Dietmar Bartsch als »langjähriger Freund Kubas«. Denn nur durch Präsenz im Parlament könne dort der politische Kampf gegen die Blockade geführt werden.
Erschienen in: Tageszeitung junge Welt vom 4.12.2024