Medienpolitische Zeitung von Verdi unterstützt Angriffe auf Kuba durch »Reporter ohne Grenzen«
Von Nick Brauns
Im Jahr 1842 schrieb Karl Marx in der Rheinischen Zeitung eine Artikelreihe zur Freiheit der Presse. Der 24jährige Philosoph wandte sich nicht nur gegen die Polizeizensur radikal-oppositionellen Gedankenguts. Er kritisierte auch vermeintlich wohlwollende Verteidiger der Pressefreiheit unter der Bourgeoisie, die darin lediglich eine Unterform der Gewerbefreiheit sehen wollten, mit den Worten: »Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein.«
Wie zu Marx’ Zeiten scheint eine Einschränkung der Pressefreiheit als Gewerbefreiheit manchen heutigen Verteidigern der Pressefreiheit ein gravierenderes Verbrechen zu sein als Inhaftierungen und Morde an Journalisten oder deren Gefährdung in Kriegsgebieten. Diesen Eindruck erweckt eine Weltkarte der Pressefreiheit, die der letzten Ausgabe von M – Menschen Machen Medien, dem medienpolitischen Magazin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, beilag. Herausgeber der Karte ist die Organisation »Reporter ohne Grenzen« (ROG), auch das Logo von M prangt auf der Karte.
Als einziges Land in Lateinamerika ist das sozialistische Kuba auf der Karte schwarz eingefärbt – die Kategorie steht für eine »sehr ernste Lage« der Pressefreiheit. Auf der alljährlich von ROG veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit mit 180 Ländern steht Kuba auf Platz 171. Ein Platz hinter Saudi-Arabien, wo Blogger ausgepeitscht und ein unliebsamer Journalist auf Weisung des feudalen Herrscherhauses mit der Knochensäge zerstückelt wurde. Zum Vergleich: Die Türkei, wo Dutzende Medienvertreter im Gefängnis sitzen und oppositionelle Sender und Zeitungen verboten wurden, kommt auf Platz 153. Und Mexiko, wo in den vergangenen 20 Jahren mindestens 119 Pressevertreter ermordet wurden, nimmt den 143. Platz ein. Der letzte Journalist, der auf Kuba ermordet wurde, fiel dagegen 1958 noch der Polizei des Batista-Regimes zum Opfer. Doch Mord oder willkürliche Inhaftierung von Journalisten wirft ROG der kubanischen Regierung gar nicht vor. »Das seit 1959 autoritär regierende Regime besitzt ein beinahe vollständiges Medienmonopol, die Verfassung verbietet private Medien. Die wenigen unabhängigen Journalist*innen und Blogger*innen werden von der Regierung eingeschüchtert, überwacht und regelmäßig verhört«, heißt es auf der Website von ROG.
Tatsächlich genießt die Presse auf Kuba die Freiheit, weder den Gesetzen des Marktes noch dem Willen reicher Kapitalbesitzer unterworfen zu sein, denn das Medienmonopol liegt beim Staat, der regierenden kommunistischen Partei und den Massenorganisationen der Volksmacht. Eingeschränkt ist die Medienfreiheit allerdings durch Ressourcenmangel, insbesondere an Papier, infolge der US-Blockade. Da sie keine Geschäfte betreiben dürfen, bemühen sich einige »alternativen« Onlinemedien um ausländische Geldgeber. Das wiederum lässt einige Blogger mit kubanischen Gesetzen kollidieren, wenn sie sich aus Reptilienfonds westlicher Geheimdienste finanzieren lassen, denen es nicht um Pressefreiheit, sondern Regime-Change geht.
Die Kriterien, nach denen die seit ihrer Gründung 1985 strikt antikommunistisch ausgerichteten ROG ihre Liste und Karte der Pressefreiheit erstellt, sind ebenso intransparent wie die Finanzierung dieser Nichtregierungsorganisation, die sich nach jW-Recherchen gerne von staatlichen Stellen wie der US-Stiftung »National Endowment for Democracy« und der französischen Regierung unterstützen lässt. Dass das medienpolitische Magazin von Verdi die offenkundig politisch motivierte Diffamierung des sozialistischen Kuba durch ROG mitträgt, erscheint als Affront gegen all die Gewerkschafter, die die Kampagne »Unblock Cuba« unterstützen.