Trotz Rüge in der Schweiz: Fakes aus US-Desinformationskampagne gegen kubanische Ärztebrigade von »Qualitätsmedien« übernommen
Von Volker Hermsdorf
Persönlichkeiten und Organisationen aus aller Welt haben das kubanische »Henry-Reeve-Ärztekontingent« für den diesjährigen Friedensnobelpreis nominiert. Das hindert einige deutschsprachige Medien nicht daran, einer durch die US-Regierung finanzierten Kampagne freudig auf den Leim zu gehen, um die Hilfseinsätze der kubanischen Mediziner zu diskreditieren. Für einen dieser Beiträge hat nun die »Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen« (UBI), eine gerichtsähnliche Behörde der Schweizerischen Eidgenossenschaft, den öffentlich-rechtlichen Sender für das französischsprachige Publikum, Radio Télévision Suisse (RTS), verurteilt. Trotzdem gehen Desinformation und Hetze gegen die Lebensretter aus Kuba sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland weiter. Nicht zuletzt auf Druck der USA. Die dem State Depatement unterstellte »Agentur für Internationale Entwicklung« (USAID) hatte im August 2019 extra Gelder für diese Kampagnen bereitgestellt.
Ein RTS-Bericht vom 13. Mai 2020 hatte die von der kubanischen Regierung organisierten Einsätze der Henry-Reeve-Brigaden, deren medizinisches Personal zu diesem Zeitpunkt bereits die Gesundheitssysteme in mehr als 24 Staaten bei der Behandlung von Covid-19-Patienten unterstützten, als »moderne Sklaverei« und »Zwangsarbeit« bezeichnet. Das Gesundheitswesen Kubas sei zudem in einem desolaten Zustand, kritisierte der Beitrag weiter, ohne die Auswirkungen der US-Blockade auf die medizinische Versorgung der Insel auch nur zu erwähnen.
»Der einseitige und wesentliche Fakten verschweigende Bericht machte es für das Publikum unmöglich, sich eine eigene Meinung im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebots zu bilden«, stellte die UBI am 29. Januar einstimmig fest. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde, die mit ihrer Rüge auf mehrere Beschwerden reagiert hatte, war in der RTS-Berichterstattung »der Grundsatz der wahrheitsgetreuen Darstellung von Ereignissen, die der freien Meinungsbildung dienen, nicht eingehalten« worden. Die Schweizer Hilfsorganisation »Medicuba Suisse« begrüßte die Entscheidung als »kleinen Sieg«. Gleichzeitig »sind wir aber schockiert, dass ein öffentlich-rechtliches Medium sich der antikubanischen Propaganda hingibt«, erklärte ein Medicuba-Sprecher.
»Sie verunglimpfen die mehr als 400.000 kubanischen Gesundheitsfachkräfte, die seit 57 Jahren ihre Dienste für Millionen von Menschen in mehr als 160 Nationen, hauptsächlich in Lateinamerika und der Karibik, Afrika und Asien, zur Verfügung gestellt haben, oft in armen und abgelegenen Orten, wo die medizinische Versorgung nie angekommen war«, hatte sich auch Kubas damaliger Botschafter in Bern, Manuel Aguilera de la Paz, nach Ausstrahlung der RTS-Sendung bei Chefredakteur Laurent Caspary beschwert. Es sei »nicht wahr, dass Kuba die medizinische Versorgung seiner Bevölkerung vernachlässigt, indem es Fachkräfte in andere Länder schickt. Kuba hat mit neun Ärzten pro tausend Einwohner eine der höchsten Raten der Welt und eine der niedrigsten Kindersterblichkeitsraten weltweit: Fünf Kinder unter einem Jahr sterben pro tausend Lebendgeburten«, stellte der Diplomat richtig.
Die Solidaritätsorganisation »Asociación Suiza–Cuba« unterstrich in einem offenen Brief an die Schweizer Medien: »Abgesehen von den politischen Vorstellungen, die jeder haben darf – auch Journalisten –, sind Objektivität und Respekt vor der Wahrheit das Mindeste, was man von denen erwarten kann, die uns angeblich informieren, und erst recht von einem öffentlich-rechtlichen Sender, der von Steuergeldern bezahlt wird.«
Ungeachtet der UBI-Entscheidung wiederholte die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) die von der Aufsichtsbehörde gerügten Unterstellungen am 7. Februar unter der Überschrift »Kubas Ärzte versklavt« fast wörtlich. Als wichtigste Quellen für ihre Behauptungen zitierte NZZ-Lateinamerika-Korrespondentin Sandra Weiss ausgerechnet den faschistischen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, das Putschistenregime Boliviens, das die Macht im November 2019 mit einem Staatsstreich an sich gerissen hatte, und die von den USA finanziell ausgehaltene kubanische Systemgegnerin Yoani Sánchez (jW berichtete mehrmals). Als Autorin des Auslandssenders Deutsche Welle (DW) hatte Sánchez bereits behaupten dürfen, dass kubanische Ärzte, die »in ihrer Heimat im Elend leben«, als Mitglieder der Henry-Reeve-Brigaden »unter sklavenähnlichen Bedingungen« arbeiten. Am 28. Juli 2020 wiederholte der aus Steuermitteln finanzierte Sender die Unterstellungen der gut bezahlten »Dissidentin« in einem Beitrag mit dem Titel »Kuba entsendet Ärzte unter Repressalien«, allerdings ohne dafür – wie in der Schweiz – gerügt zu werden.
Weder die deutsche noch die Schweizer Öffentlichkeit ist von den vermeintlichen Qualitätsmedien ihrer Länder jemals darüber informiert worden, dass USAID am 5. August 2019 rund drei Millionen US-Dollar (2,4 Millionen Euro) für Organisationen und Medien zur Verfügung gestellt hat, die dafür »Informationen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen – einschließlich Zwangsarbeit – von kubanischem medizinischem Personal, das nach Übersee exportiert wurde, untersuchen, sammeln und analysieren« sollen. In der Ausschreibung des USAID-Projektes, die der US-Journalist Tracey Eaton bereits am 6. August 2019 in seinem Cuba Money Projekt veröffentlicht hatte, werden bereits nahezu wörtlich alle Vorwürfe erhoben, die später auch u. a. von RTS, Deutsche Welle oder NZZ reproduziert wurden – natürlich ohne Angabe der Quelle.