Parteirechte wirft Bumerang

Sympathiebekundungen des Linke-Vorstands für Kubas »Dissidenten« von Fake News flankiert. Von Volker Hermsdorf

Auf seiner Sitzung am 23. Januar habe der Vorstand der deutschen Linkspartei ein Tabu gebrochen, kommentierte die parteinahe Tageszeitung ND einen Beschluss, in dem unter anderem die »Fortsetzung des Dialogs« mit »Aktivistinnen und Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft« gefordert wird. Der staatliche US-Propagandasender Radio and TV Martí applaudierte umgehend und bezeichnete die Formulierung als »historische Entscheidung«, mit der die »deutsche Linke« – so wörtlich – die »Kritiker des kommunistischen Regimes in Kuba« unterstütze. »Nur wer sich nie mit der Geschichte des lateinamerikanischen Kontinents befasst hat, kann glauben, dass von den USA unterstützte Gruppierungen etwas anderes anstreben als einen sogenannten Regime-Change«, erklärte die Kommunistische Plattform der Partei Die Linke am Sonntag dazu.

Obwohl die Kumpanei einzelner Funktionäre der Linkspartei mit antikommunistischen Aktivisten nicht neu ist, hat deren antikubanische Position durch den einstimmigen Beschluss des Vorstandes jetzt eine neue Dimension erreicht. »Erstmals in der Geschichte (…) wurde von einem offiziellen Parteigremium ein Beschluss gefasst, in dem der demokratische Charakter der Kubanischen Revolution in Frage gestellt (…) wird«, kommentierte die Arbeitsgemeinschaft »Cuba Sí«. Mit der von der innenpolitischen Fraktionssprecherin Ulla Jelpke als »Trojanisches Pferd des Antikommunismus« bezeichneten Erklärung ist der Parteirechten vor den anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen ein vermeintlicher Coup gelungen, der jedoch zum Bumerang werden kann. Die Vorlage der innerparteilichen Gruppierung »Emanzipatorische Linke« fordert zur Unterstützung von Systemgegnern auf, deren Positionen dem bisherigen Konsens in der Partei diametral entgegengesetzt sind. Dazu gehört der bekennende Trump-Anhänger und von der Taz als »scharfer Antikommunist« gelobte homophobe Rapper Denís Solis, der einen ihm eine Vorladung aushändigenden Polizisten als »Killer«, »Arschloch in Uniform«, »Ratte« und »Schwuchtel« beschimpft hatte. Oder der von der ehemaligen Geschäftsträgerin der US-Botschaft, Mara Tekach, persönlich chauffierte »Performancekünstler« Manuel Otero Alcántara, der auf sich aufmerksam macht, indem er die Landesfahne besudelt.

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Das ND übernahm sogar von US-Medien verbreitete Fake News, indem behauptet wurde, Kulturminister Alpidio Alonso habe sich am 27. Januar »persönlich an Übergriffen mit mehreren Verletzten gegen friedlich Demonstrierende« beteiligt. Tatsächlich hatte der Minister ein Handy zur Seite gestoßen, das ihm der von der in Madrid publizierten Onlinezeitung Diario de Cuba bezahlte »unabhängige Journalist« Mauricio Mendoza provozierend direkt vors Gesicht gehalten hatte. Indem er derartige Provokateure zu »Aktivistinnen und Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft« aufwertet, stellte sich der Parteivorstand erstmals offen auf die Seite von Personen, die sich für eine »farbige Revolution« und eine militärische Intervention der USA in Kuba einsetzen. Denn während sich die meisten Mitglieder und Vorstandsgremien der Linkspartei seit deren Gründung stets für die Solidarität mit der kubanischen Bevölkerung und dem alternativen Gesellschaftsmodell der sozialistischen Inselrepublik einsetzten, waren Sympathiebekundungen für rechte Contraaktivisten bisher isolierte Aktionen einzelner Parteifunktionäre.

So nahm die damalige Vorsitzende der europäischen Linksfraktion GUE/NGL, Gabriele Zimmer, im Jahr 2013 demonstrativ an der Seite von Vertretern der Rechtsparteien an der Verleihung des Sacharow-Preises an den »Dissidenten« Guillermo Fariñas teil, während die EU-Abgeordneten der GUE/NGL – wie zuvor vereinbart – geschlossen den Saal verlassen hatten. »Ich erinnere Dich daran, dass Fariñas von den USA gegen die Kubanische Revolution, gegen die Unabhängigkeit und das Volk Kubas geschaffen und finanziert wurde«, schrieb der Europaabgeordnete der spanischen »Izquierda Unida« (Vereinigte Linke), Willy Meyer, damals an Zimmer. Er betonte, dass die spanische Partei der GUE/NGL »auf der Grundlage von Werten wie Sozialismus, Internationalismus und folglich aus Opposition gegen Imperialismus in jedweder Erscheinungsform angehört«. Jede Position, »die das kubanische Volk und seine Revolution beleidigen würde, zwänge uns, unsere Beteiligung an dieser parlamentarischen Gruppe zu überdenken«, warnte Meyer. Als Fariñas kürzlich in einem Interview eine »totale Blockade« gegen Kuba und eine militärische Intervention in dem Land forderte, schwieg die deutsche Parteiführung, die jetzt zum »Dialog mit Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft« aufruft, dazu ebenso wie zu dem Lob des Sacharow-Preisträgers für die Mörder von Che Guevara. Zu dessen 90. Geburtstag hatte das Neue Deutschland am 14. Juni 2018 bereits die »falsche Verehrung von Che Guevara« kritisiert

Aus: jW-Ausgabe vom 09.02.2021

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