»Patria y Vida«: Mit US-Hilfe produzierter Propagandasong verunglimpft kubanische Unabhängigkeit. Von Volker Hermsdorf
Ein in Miami mit kubanischen Musikern produzierter Popsong schlägt seit Tagen alle Rekorde auf Youtube. In dem Lied »Patria y Vida« stellen sich weltbekannte Interpreten wie das Musikprojekt Gente de Zona und Descemer Bueno, dessen Komposition »Bailando« durch Enrique Iglesias zum Nummer-eins-Hit wurde, gemeinsam mit einigen militanten Systemgegnern gegen die Regierung des Inselstaates und Symbole der kubanischen Revolution. Während die Bevölkerung des Landes unter den Folgen der Coronapandemie und der verschärften Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade durch die USA leidet, spötteln die Musiker, dass die Kubaner es jetzt »eilig haben, Che Guevara und Martí gegen Devisen einzutauschen«. In Abgrenzung auf das von Fidel Castro am 5. März 1960 bei der Trauerfeier für die Opfer des von den USA im Hafen von Havanna gesprengten belgischen Frachters »La Coubre« geprägte Motto der kubanischen Unabhängigkeit »Patria o Muerte« heißt es in dem Video: »Wir rufen nicht mehr Heimat oder Tod, sondern Heimat und Leben.«
Obwohl der Song, eine Mischung aus Marketing und politischer Propaganda, wie das baskische Onlineportal Cubainformación kommentierte, professionell produziert und vermarktet wurde und einige Musiker über eine große Fangemeinde verfügen, rätseln Experten über den Erfolg des Videoclips mit bisher mehr als 2,6 Millionen Aufrufen. »Der Song hat politische Sprengkraft«, versuchte Deutschlandfunk Kultur eine Erklärung zu liefern, und die Taz feierte ihn als »eine Hymne der Hoffnung«. Die Verbindung zu den jüngsten Aktionen der von Washington unterstützten »San-Isidro-Gruppe« wird von den Produzenten indes nicht geleugnet. Deren erfolgloser Rapper Maykel Osorbo, der die US-Regierung erst kürzlich zur Invasion Kubas aufgefordert hatte und das Lied als »Kriegshymne« bezeichnet, durfte an der Seite der Weltstars auftreten.
Verschwiegen wird jedoch, dass das US-Außenministerium im Zusammenhang mit den Aktivitäten der sich als »unabhängige Künstler« bezeichnenden San-Isidro-Gruppe erst am 24. November vergangenen Jahres bis zu einer Million US-Dollar für neue Programme zur Verfügung gestellt hatte, um »die Kapazität unabhängiger zivilgesellschaftlicher Gruppen in Kuba zu stärken«, wie der US-Journalist Tracey Eaton berichtete. Der zum rechten Flügel der Republikaner gehörende Senator Marco Rubio aus Florida erklärte am 26. Januar, einen Monat vor Veröffentlichung des Videoclips, er habe »große Bedenken, dass die Biden-Administration zu Obamas Kuba-Politik zurückkehren wird«, und werde »alles tun, um dies zu verhindern«. Der erfolgreiche Politsong, den der frühere kubanische Kulturminister Abel Prieto als »traurigen Chor von Annexionisten, die das eigene Land angreifen« bezeichnete, kommt da gerade zur rechten Zeit. Ein Zufall ist das nicht.
Der kubanisch-US-amerikanische Influencer Alex Otaola, ein Initiator der Kampagne, rühmt sich damit, der Politsong sei »das Ergebnis der Arbeit«, die er seit vier Jahren in seinem Youtube-Programm leiste. Der stramm antikommunistische Aktivist ist eine Schlüsselfigur zum Verständnis, wie es gelang, Künstler wie Bueno und Gente de Zona, die das kubanische Gesellschaftsmodell bisher unterstützt hatten, für den Propagandaauftritt zu gewinnen. Nachdem Alexander Delgado, Sänger der Band Gente de Zona mit Wohnsitz in Havanna und Miami, bei einem gemeinsamen Konzert mit der italienischen Popsängerin Laura Pausini im Juni 2018 um einen Applaus für Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel gebeten hatte, startete Otaola eine Unterschriftenkampagne, um den Musikern ihre Green Cards und die Berechtigung zum Daueraufenthalt in den USA zu entziehen. Miamis republikanischer Bürgermeister Francis X. Suarez verhinderte 2019 daraufhin, wegen der »Nähe zum Regime«, ihren Auftritt zum Jahresende.
Auch Bueno wurde zur Zielscheibe der Contras, als er es wagte, Kubas medizinische Zusammenarbeit zu loben und die US-Blockade zu verurteilen. Otaola gelang es mit einer Kampagne, seine Auftritte in Miami zu boykottieren und seine Karriere, wie die von de Zona, zu zerstören. Erst seit die Musiker die kubanische Regierung öffentlich angreifen, können sie in den USA wieder ungehindert auftreten. Am Montag konterten die kubanischen Interpreten Raúl Torres, Annie Garcés, Dayana Divo, Karla Monier und Yisi Calibre den aus Miami lancierten Angriff mit dem eigenen Lied »Patria o Muerte por la Vida«, in dessen Refrain es heißt: »Es lohnt sich zu schreien, was sie hören wollen. Sie zahlen gut.«