Von Ina Sembdner, Brüssel
Der Plenarsaal Alcide de Gasperi im EU-Parlament in Brüssel steht an diesem Donnerstag und Freitag unter dem Motto: Unblock Cuba! Hier wird während zweier Verhandlungstage in einem internationalen Tribunal ein Urteil gegen die völkerrechtswidrige und mehr als 60 Jahre andauernde US-Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade gefällt. Für diesen Anlass wurde ein internationales Gremium aus sechs Richterinnen und Richtern ernannt, die Zeugen anhören und Beweise zu der zerstörerischen US-Politik gegen Kuba sammeln. Den Vorsitz hält der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech, Chefankläger ist Jan Fermon, ein belgischer Rechtsanwalt und Vorsitzender der Internationalen Vereinigung demokratischer Juristen (IADL), eine der internationalen Rechtsvereinigungen, die die Anklage gegen die USA erhoben haben.
Gefüllt ist der Plenarsaal mit Vertretern Kubas – darunter fünf Abgeordnete der Nationalversammlung sowie der »Held der Republik« und Präsident des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP), Fernando González Llort –, Mitgliedern internationaler Solidaritätsgruppen, Abgeordneten von der EU-Linksfraktion GUE/NGL, die das Tribunal im Machtzentrum der EU organisiert haben, und weiteren Unterstützern. Trotz des profiliert besetzten juristischen Gremiums und einer akribisch vorbereiteten Verhandlung ist Presse jenseits der jungen Welt offenbar nicht an den international geächteten Maßnahmen gegen Kuba interessiert. Um so mehr nehmen die Anwesenden – ob im Publikum oder auf dem Podium – Anteil am Sterben und Leiden der Palästinenser: Kufijas und Solidaritätsbekundungen gehören fest zum Programm.
Bevor das eigentliche Verfahren am Donnerstag nachmittag begann, wurde das Tribunal am Vormittag mit einem Panel zur Initiative von der kubanischen Botschafterin in Belgien, Yaira Jiménez Roig, mit Vertretern der GUE/NGL und dem Sekretär der Nationalversammlung und des Staatsrats der Republik Kuba, Homero Acosta Álvarez, eröffnet. Roig erklärte, dass zwei wichtige und intensive Tage folgten, »die mit bedeutenden Ergebnissen enden werden« und führte plastisch vor Augen, was die Blockade für Kubanerinnen und Kubaner bedeutet: »Alle, die hier sitzen, sind unter diesem System geboren und haben am eigenen Leib die kriminelle Politik der USA erlebt.«
Die EU-Abgeordnete Sandra Pereira von der Kommunistischen Partei Portugals forderte, auch an ihre eigene Regierung gerichtet, Worten endlich Taten folgen zu lassen, und versicherte: »Kuba kann weiter auf uns zählen.« Ihr Parlamentskollege von der spanischen Vereinigten Linken, Manuel Pineda, betonte den »kreativen Widerstand gegen die Blockade« in Kuba angesichts der allgegenwärtigen Beschränkungen vor allem im Gesundheitsbereich. Pineda erinnerte auch daran, dass Kuba schon 1973 seine diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen hatte. Die irische Sozialistin Clare Daly analysierte, dass die US-Blockade eines der am längsten andauernden Beispiele für die sogenannte regelbasierte Weltordnung sei, hinter deren Fassade Regeln zur Unterdrückung geschaffen würden. Der Grund für die Angriffe auf die Inselrepublik: »Die Menschen in Kuba besitzen ihre Gesellschaft selber.« Und das Land überlebe nicht einfach, sondern führe die Weltgemeinschaft, etwa im Bereich Klimawandel, an.
Auch für Álvarez war es zunächst ein Anliegen, seine Solidarität mit Palästina auszudrücken. Das palästinensische Volk erleide einen Genozid durch Israel unter Komplizenschaft der USA. Daran anschließend dankte er allen, »die diese Veranstaltung möglich gemacht haben«. Washington beabsichtige, ein demokratisches und humanes Projekt zu unterminieren, die Blockade sei ein Genozid nach UN-Konvention. Dem kubanischen Genossen pflichteten Vertreter aus Bolivien (»Diplomatie der Völker, nieder mit der Blockade!«), Belgien (»Man kann nicht gleichzeitig souverän sein und den Weisungen Washingtons folgen«), Deutschland (zur eigenen Regierung: »Willfähriger Terrorhelfer. Nichtstun als Zeichen der Feigheit«), Spanien (»Wir müssen pädagogisch handeln, damit die Menschen verstehen«) und Frankreich bei: »Kapitalismus ist keine Fatalität. Kuba zeigt, dass eine sozialistische Gesellschaft möglich ist, die es gestattet, sich individuell und gemeinschaftlich zu entwickeln.«