UN-Generalversammlung diskutiert über Resolution gegen US-Blockade. Die kostet die Inselrepublik alle zwei Stunden eine Million US-Dollar
Von Volker Hermsdorf
Begleitet von weltweiten Solidaritätsaktionen hat am Mittwoch in der UN-Generalversammlung die zweitägige Debatte über eine Resolution begonnen, die das Ende der US-Blockade gegen Kuba fordert. Mehr als 50 Vertreter von UN-Mitgliedsländern standen am ersten Tag auf der Rednerliste. An diesem Donnerstag wird Kubas Außenminister Bruno Rodríguez den aktuellen Bericht über die Auswirkungen der US-Sanktionen auf die Bevölkerung und Wirtschaft seines Landes in den vergangenen Monaten vorstellen, bevor die Versammlung dann zum 31. Mal in Folge über den Resolutionsentwurf abstimmt. Im vergangenen Jahr hatten 185 Länder dafür und nur die USA und Israel dagegen votiert.
Rodríguez, der am Dienstag in New York eingetroffen ist, hatte die US-Blockade mehrfach als »Akt des Völkermordes« bezeichnet. Obwohl der Begriff – im Vergleich zu den von der großen Mehrheit der UN-Mitglieder verurteilten dramatischen Vorgängen in Gaza – übertrieben erscheinen mag, ist der Vorwurf angesichts der vorgelegten Zahlen und Fakten durchaus berechtigt. Nachdem die Sanktionen der USA gegen Kuba während und nach der Covid-19-Pandemie wie noch nie verschärft wurden, verlor das Land laut dem aktuellen Bericht Monat für Monat mehr als 405 Millionen US-Dollar im Monat. Die US-Blockade kostet die Bevölkerung der sozialistischen Inselrepublik demnach alle zwei Stunden eine Million Dollar, die im Gesundheitswesen sowie für die Versorgung mit Energie, Nahrungsmitteln und anderen überlebensnotwendigen Gütern fehlen. Die vorsätzliche Auferlegung derartiger Lebensbedingungen über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren kann – nach der Genfer Konvention von 1948 – als versuchter Völkermord gesehen werden.
Als besonders »grausam« in diesem Sinne bezeichnete Rodríguez die Verschärfung der Blockade durch die Regierung von US-Präsident Joseph Biden während des kritischsten Moments der Covid-19-Pandemie auf der Insel. »Das führte zu Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Beschaffung lebenswichtiger medizinischer Güter und Ausrüstungen, einschließlich solcher, die für die Produktion kubanischer Impfstoffe erforderlich waren. Die Sanktionen behinderten sogar den Kauf von medizinischem Sauerstoff aus Drittländern«, heißt es in dem der Generalversammlung vorgelegten Bericht. »Die Behinderung der Lieferung von Lungenbeatmungsgeräten, als sie von unserem Gesundheitssystem am dringendsten benötigt wurden, ist ein Beweis für die völlige Unmenschlichkeit dieser Politik und die bewusste Verletzung des Rechts auf Leben«, wird das erklärte Ziel Washingtons kritisiert, die Wirtschaft des Landes zu strangulieren.
Auch die extraterritoriale Ausweitung der Blockaderegelungen auf Drittländer wirkte sich negativ auf das Gesundheitswesen aus. In den vergangenen Jahren mussten Dutzende von Lieferanten in der ganzen Welt ihre Geschäftsbeziehungen zu Kuba einstellen, was laut Bericht zu »dramatischen Schwierigkeiten für die pharmazeutische Industrie« führte. Das Ausmaß der Folgen wird deutlich, wenn man die Veränderungen einiger Gesundheitsindikatoren betrachtet. So stieg die Rate der Säuglingssterblichkeit im Jahr 2022 auf 7,5 pro 1.000 Lebendgeburten, während sie vor 2019 bei oder unter 5,0 gelegen hatte. »Für manche kubanischen Kinder ist die Blockade gegen ihr Land eine Frage von Leben und Tod«, klagen Mediziner. Als Beispiel wird der Fall eines sechsjährigen Mädchens angeführt, dem wegen der Blockade nicht das zur Behandlung fortgeschrittener Tumore erforderliche Medikament »Lomustin« verabreicht werden konnte. Aus demselben Grund kann Kuba auch keine Medikamente zur Behandlung nierenkranker Kinder von US-Firmen beziehen. Auf 69 Anfragen an US-Unternehmen mit der Bitte um Lieferung überlebensnotwendiger medizinischer Ressourcen hatten drei Unternehmen die Bestellungen abgelehnt und 64 nicht einmal geantwortet, fasst der Bericht die Erfahrungen der vergangenen Monate zusammen. Kubanische Kinder werden so Opfer des US-Wirtschaftskrieges gegen das Land.
Ein Schuldiger für die kontinuierliche Verschlechterung der Lebensbedingungen sitzt im Weißen Haus. Obwohl das von US-Präsident William Clinton 1996 unterzeichnete Helms-Burton-Gesetz eine Aufhebung der Blockaden von der Zustimmung des Kongresses abhängig macht, kann der Präsident einzelne Beschränkungen eigenmächtig aufheben. Barack Obama hat gezeigt, wie das geht. So könnte Biden, wenn er wollte, zum Beispiel die finanzielle Verfolgung Kubas abmildern und es kubanischen Einrichtungen, Banken oder Unternehmen, ermöglichen, Korrespondenzkonten bei US-Banken zu eröffnen, führte die KP-Zeitung Granma am Montag aus. Ohne Zustimmung des Kongresses könne Biden die Ausfuhr von medizinischen Gütern und Ausrüstungen nach Kuba zulassen. Auch habe er die Befugnis, den Export von US-Produkten für wichtige Wirtschaftszweige wie Bergbau, Tourismus oder Biotechnologie auf die Insel sowie die Einfuhr von kubanischen Waren in die USA zu genehmigen, die in Kuba angebaut, erzeugt oder hergestellt werden, darunter Nickel, Zucker, Tabak, Rum und andere. Er könne ferner das Verbot für US-Bürger, als Touristen nach Kuba zu reisen, und das Verbot von Finanzierungen für den Verkauf von US-Agrarprodukten an Kuba aufheben. Schließlich wies Granma darauf hin, dass viele US-Bürger davon profitieren könnten, wenn ihr Präsident ihnen erlauben würde, sich in Kuba medizinisch behandeln zu lassen.
Unabhängig davon, ob es bei der Abstimmung irgendeine unerwartete Überraschung gibt, wird die Weltgemeinschaft am Donnerstag zum 31. Mal in Folge die Aufhebung der völkerrechtswidrigen US-Blockade gegen Kuba fordern und die USA für ihre völkermörderische Sanktionspolitik an den Pranger stellen.
aus junge Welt, 02.11.2023