Washington forciert Einmischung in innere Angelegenheiten Kubas. Großdemonstration zur Unterstützung des Sozialismus
Von Volker Hermsdorf
Noch bevor US-Präsident Donald Trump am 20. Januar sein Amt abgeben muss, versucht seine Regierung, eine »Farbenrevolution« in Kuba anzuzetteln. Nachdem das dortige Außenministerium die Unterstützung Washingtons für eine sich »San-Isidro-Bewegung« nennende oppositionelle Gruppierung als »Einmischung in die inneren Angelegenheiten« der Insel zurückgewiesen hatte, erklärte ein Sprecher des State Department am Mittwoch, die US-Diplomaten in Havanna würden ihre »üblichen Kontakte aufrechterhalten«. Gegenüber dem staatlichen US-Propagandasender Radio and TV Martí bezeichnete der Sprecher die Förderung von Oppositionellen in Kuba sogar als »zwingend erforderlich«.
Damit verschärft Washington den Konflikt mit Havanna. Ende vergangener Woche hatte der für US-Angelegenheiten zuständige Direktor im Außenministerium, Carlos Fernández de Cossio, den Geschäftsträger der US-Botschaft, Timothy Zúñiga-Brown, einbestellt. De Cossio warf dem US-Diplomaten einen Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vor, da er die Systemgegner wiederholt aufgesucht und einige Aktivisten mit seinem Dienstfahrzeug herumchauffiert hatte.
Die nach dem Künstlerviertel San Isidro in Havannas Altstadt genannte Gruppe war durch einen Hungerstreik für die Freilassung ihres Mitstreiters Denis Solís in die Aufmerksamkeit der Medien gerückt. Solís, der sich als Anhänger Trumps outete, den er »seinen Präsidenten« nennt, war zu acht Monaten Haft verurteilt worden, nachdem er eine Aussage über Kontakte zu Terroristen in den USA zunächst verweigert und einen Polizisten, der ihm daraufhin eine Vorladung zur Vernehmung überbrachte, mit homophoben und obszönen Beschimpfungen attackiert hatte. Mittlerweile räumte Solís in einer vom Fernsehen ausgestrahlten Erklärung ein, Zahlungen von Jorge Luis Fernández Figueras erhalten zu haben, einem in Florida lebenden Terroristen, der 2017 Brandstiftungen und andere Sabotageakte in Kuba verübt hatte. Fernández Figueras habe auch versucht, die Aktionen der »San-Isidro-Aktivisten« zu beeinflussen, erklärte er.
Die Information löste bei den Behörden Alarm aus. Die Tageszeitung Granma berichtete am Dienstag über »eine Eskalation der Sabotage und Anschläge« gegen Einrichtungen in Kuba seit Trumps Amtsantritt. So seien zuletzt im August und September 2020 in Havanna Brandsätze mit Molotowcocktails auf eine Cafeteria, einen Friseursalon und eine Bodega zur Ausgabe subventionierter Lebensmittel verübt worden. Die in den USA lebenden Auftraggeber der terroristischen Aktionen seien den US-Ermittlungsbehörden zwar bekannt, würden für ihre kriminellen Aktivitäten aber nicht zur Verantwortung gezogen.
Als Reaktion auf die Enthüllungen mehrerer kubanischer Medien veröffentlichte Radio and TV Martí am Mittwoch auf seiner Internetseite einen Beitrag unter der Überschrift »Das Regime zettelt einen Bürgerkrieg unter Kubanern an«. Darin wird der Regierung in Havanna unter anderem vorgeworfen, »zum Lynchen derjenigen aufzustacheln, die andere Kriterien als die offizielle Linie haben«. Der US-Propagandasender behauptete zudem, in Kuba gebe es »Unruhe und eine Rebellion im Volk«.
So ein Szenario entspricht zwar dem Drehbuch der »Farbenrevolutionen für einen Regime-Change« und den Ambitionen der US-Regierung, nicht aber der Realität in Kuba. Tatsächlich hatten mehrere tausend, meist junge Menschen am Sonntag bei einer Großdemonstration im zentral gelegenen Trillo-Park der Hauptstadt ihre Unterstützung für das sozialistische Gesellschaftssystem gezeigt. »Wir lassen die Einmischung unserer Feinde nicht zu. Wir lösen unsere Probleme untereinander«, erklärte Präsident Miguel Díaz-Canel auf der Kundgebung. Besonnene Sympathisanten der »San-Isidro-Gruppe« sind dazu offenbar bereit. Nachdem am Freitag rund 200 Unterstützer, darunter auch einige Künstler, vor dem Kulturministerium in Havanna aufmarschiert waren, empfing Vizeminister Fernando Rojas eine Delegation zum mehrstündigen Gespräch, bei dem unter anderem ein Dialog über deren Forderungen vereinbart wurde.